In letzter Zeit häufen sich Leserfragen bezüglich der TARGET 2-Salden der Bundesbank, die ich in diversen Beiträgen immer wieder erwähnt habe.

Nachfolgende, exemplarische E-Mail wird von mir für alle Interessierten beantwortet.
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das Thema "Target 2 Salden" der Bundesbank einmal in einem Beitrag näher erläutern würden. Glauben Sie, dass die Bundesbank damit rechnet, diese Forderungen jemals zu erhalten? Was würde ein Ausfall für die Bürger Deutschlands bedeuten?“

Hans Werner Sinn schrieb zu den Target-Salden schon 2012: „Man kann in eine Falle tappen, die einem jemand gestellt hat. Man kann sich auch selbst eine Falle stellen. Welche dieser beiden Möglichkeiten auf die Target-Kredite zutrifft, kann man angesichts der Verve, mit der Helmut Kohl das Europrojekt verfolgt hat, und der Cleverness oder Weitsicht von Jacques Delors dahingestellt sein lassen. Tatsache ist aber, dass Deutschland heute in der Target-Falle steckt.“

Was bedeutet eigentlich TARGET 2?

Was Target2 bedeutet, habe ich in meinem Buch „erfolgreicher Vermögensaufbau und Vermögenssicherung…“ wie folgt beschrieben:

„ESM und Risiken aus den TARGET 2-Salden können die Verschuldung gewaltig nach oben schieben. Damit verstanden wird, worum es bei den TARGET 2-Salden geht, hier die Erläuterung der Bundesbank:

TARGET2 (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) ist ein Zahlungsverkehrssystem, über das nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld schnell und endgültig abgewickelt werden. Über TARGET2 fließen pro Tag im Durchschnitt rund 350.000 Zahlungen im Wert von rund 2 Billionen Euro. Das entspricht beinahe dem deutschen Bruttoinlandsprodukt. Während eines ganzen Jahres werden von TARGET2 knapp 90 Millionen Zahlungen in einem Gesamtwert von rund 600.000 Milliarden Euro abgewickelt. Diesen Transaktionen können ganz unterschiedliche Geschäfte zugrunde liegen. Denkbar sind unter anderem die Zahlung einer Warenlieferung, der Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers, die Gewährung oder Rückzahlung eines fälligen Darlehens, die Geldanlage bei einer Bank und vieles mehr.

Fließen beispielsweise einer über die Bundesbank an TARGET2 teilnehmenden Bank Gelder aus dem Ausland zu, führt dies bei der Bundesbank zu Verbindlichkeiten gegenüber dieser Bank (etwa durch Gutschrift des Betrages auf deren Girokonto). Im Gegenzug  entsteht  eine  Forderung der Bundesbank in gleicher Höhe gegenüber der sendenden nationalen Zentralbank. Diese wiederum belastet das Konto der sendenden Geschäftsbank. Dies erfordert ein ausreichendes Guthaben an Zentralbankgeld der sendenden Bank.

Die bei den nationalen Zentralbanken entstehenden Forderungen und Verbindlichkeiten aus einer über den Tag anfallenden Vielzahl solcher Transaktionen gleichen sich normalerweise nicht vollständig aus. Am Ende des Geschäftstages verbleibende Forderungen und Verbindlichkeiten aller an TARGET2 teilnehmenden nationalen Zentralbanken werden gemäß einem Abkommen im Eurosystem an die EZB übertragen und dort saldiert. Die so entstehenden TARGET2-(Netto)-Salden sind demnach das Ergebnis der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld innerhalb der dezentralen Struktur des Eurosystems.

Der TARGET2-Saldo in der Bundesbankbilanz geht also im Wesentlichen auf grenzüberschreitende Transaktionen zurück, die Banken betreffen, welche über die Bundesbank an TARGET2 teilnehmen.

Die Einführung des Euros ermöglichte es Ländern wie Griechenland und Portugal, aber auch Spanien und Italien Kredite zu bis dahin für diese Länder nicht da gewesenen sehr günstigen Zinskonditionen aufzunehmen.

Der Zinsvorteil wurde jedoch nicht eingesetzt, um Schulden zu tilgen oder die industrielle Basis zu stärken. Vielmehr führte der nachlassende Zinsdruck dazu, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst gewaltig angehoben wurden und die Produktivität der Arbeitskräfte sank.

Der Import in diese Länder, gerade aus Deutschland stieg an. Der Export dieser Länder ging wegen zu hohen Lohnkosten immer weiter zurück.“

Die TARGET-Bombe tickt

Der Steuerzahler soll davon möglichst nichts wissen. Nicht zuletzt deshalb hat man diese Bezeichnung so verklausuliert, dass kaum jemand etwas damit anfangen kann. Die Salden der TARGET-Konten weisen die Stände im Zahlungsverkehr der Euro-Notenbanken aus. Die Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber den anderen Notenbanken im Eurosystem betragen inzwischen rund 850 Milliarden Euro. Sie zeigen die extreme Kapitalflucht aus dem Süden der EU an.

Aus Brüssel und Berlin ist dazu verharmlosend zu vernehmen, dies sei kein Problem, sondern nur ein kleiner statistischer Nebeneffekt der Anleihekäufe der EZB. Das ist jedoch nur ein kleiner Bruchteil der Wahrheit.  Geldströme, die aus einem Land abfließen, erzeugen einen Negativsaldo für dieses Land.

Spanien und Italien haben ein gemeinsames Negativsaldo von über 750 Milliarden Euro.

„Die Kapitalflucht und die Misswirtschaft in den südlichen Ländern wird im Grunde mit Bundesbankkrediten finanziert, denn die als "Gegenleistung" angebotenen Schrott-Papiere, von denen die EZB bisher 1,6 Billionen kaufte und dafür frisch gedruckte Euros an todkranke Institutionen, Banken, ja Länder ausreichte, landeten zum Großteil bei der Bundesbank. Diese sitzt also auf Bergen unverkäuflicher "Wertpapiere" kaputter Banken, Firmen und Staaten“, so Prof. Dr. Bocker.

Träte ein Land aus der EU aus, wären alle Papiere dieses Landes verloren. Und da eine Haftungsunion besteht, müsste die Bundesbank also für astronomische Summen von mehr als 800 Milliarden Euro gerade stehen. Ihre fragilen Bilanzpositionen in TARGET wären dann einige Kilo Kartoffeln oder Äpfel wert.

Die Falle

Hans Werner Sinn in „Die Target-Falle“: „Das Target-System ist eine Falle, weil die Bundesbank - wie die Notenbanken der Niederlande, Finnlands und Luxemburgs, die sich in einer ähnlichen Lage befinden – nicht die Möglichkeit hat, ihre Target-Forderungen einzutreiben. Die Forderungen entstanden, weil Güter oder Anlagewerte in andere Länder geflossen sind und von der Bundesbank im Auftrag ausländischer Käufer bezahlt wurden oder weil die Bundesbank im Auftrag ausländischer Schuldner Schulden bei deutschen Gläubigern getilgt hat. Man hat die Bundesbank sozusagen für sich auslegen lassen und sie gebeten, den Betrag auf einem Verrechnungskonto zu verbuchen.(…)

Getilgt werden diese Kredite nur dann, wenn Deutsche wieder neue Kredite ins Euro-Ausland vergeben oder Anlageobjekte und Güter dort kaufen.(…) Sollte der Bundesbank der Kragen platzen und sie versuchen, ihre Schuldner unter Druck zu setzen, (…) wäre sie vertragsbrüchig und würde den Zusammenbruch des Euro-Systems riskieren. Dann hätte sie erst recht keine Chance die Target-Forderungen einzutreiben. (…) Die Bundesbank kann bei einem Zerbrechen des Eurosystems zwar versuchen, die Target-Forderungen gegenüber den Notenbanken der anderen Länder zu erheben. Doch wird man dort tausend Gründe finden, warum es für diese Forderungen keine Basis gibt.“

Die Bundesbank täte sich schwer mit Argumenten, da sie die Salden selbst als bloße Verrechnungsposten deklariert hatte.

Träte ein EU-Land aus, haftet Deutschland für deren Schulden und Schrottpapiere, die zur "Deckung" der niemals erfüllbaren Verpflichtungen ausgegeben wurden.

Unterschied zum Fed-System und Konsequenz für den Steuerzahler

Anders als im US-amerikanischen Fed-System, wonach die Salden der einzelnen District-Notenbanken nach einigen Monaten wieder glattgestellt werden müssen, besteht im Euro-System keine Verpflichtung, die Target-Schulden der anderen Notenbanken zu tilgen. Sie bleiben als derzeit unverzinsliche Buchschulden bestehen.

Bricht der Euro auseinander, müssen wahrscheinlich erhebliche Teile der Target-Forderungen der Bundesbank abgeschrieben werden. Dieser Vermögensverlust träfe den deutschen Steuerzahler.

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